SarahGoesSofia
Sonntag, 8. März 2009
Krank sein in Bulgarien
Tatsächlich habe ich es in den ersten Wochen gleich zu dem zweifelhaften Vergnügen gebracht, ein bulgarisches Krankenhaus von innen kennenzulernen. MAn muss dazu sagen, dass es in Bulgarien das System von kleinen Arztpraxen nicht gibt. Wenn man etwas hat, geht man ins Krankenhaus. Und was soll ich sagen: ich bin unvoreingenommen in die Sache rein gegangen und voreingenommen wieder rausgekommen… Es trafen echt die meisten Cliches ein, die man so mit Krankenhäusern im rückständigen Osten verbindet. Gott sein gepriesen, dass ich nicht wegen etwas ernsthaft akut Bedrohlichem dort hin musste. Wahrscheinlich amputieren sie dort noch Gliedmaßen mit der Axt oder ähnliches. Nachdem ich zig Leute auf bulgarisch angequatscht hatte, ob sie Englisch sprechen, hat mich ein älterer Herr, den ich endlich gefunden hatte, an ein jugendliches Pärchen abgegeben, das eher kein Englisch sprach, bis auf das Mädchen, die auf ihren Freund zeigend nur einmal „He’s idiot“ von sich gab :D Naja, irgendwie hatte der alte Mann den beiden wohl gesagt, wo sie mich abzugeben haben und tatsächlich haben sie mich dann auch tatsächlich bei einem "reschen UNG" abgegeben, was wohl soviel wie Notarzt bedeuten soll. Bis dahin war ich ja schon mal dankbar… Der Arzt selber hatte dann so eine Art ärztlichen Jogginganzug an und sprach einigermaßen gebrochen Englisch. Nachdem ich ihm mein Problem geschildert hatte, war er einigermaßen ratlos, weil das offensichtlich nicht in seinen Bereich gehörte. Also spulte er das Standardrepertoire ab: Spiegel mit Loch vors Auge (so, wie man es aus den Kinderbüchern der 50er Jahre kennt), dann einmal mit dem Spiegel in den Mund geschaut, dann mit einem Alufilter ins die Ohren, dann mit einer Zange in die Nase… es brauchte erstmal ne Weile, bis ich kapierte, dass er jeweils nur EIN Instrument hatte für alle Patienten und das jedes Mal in eine Flüssigkeit warf. Ich bete zu Gott, dass es sich dabei um einigermaßen frisches Desinfektionmittel gehandelt hat! Naja, nachdem er dort nichts feststellte, holte er noch mal sein Spiegelchen raus, und rammte es mir mit der Anweisung laut „ihhhh“ zu sagen , so weit in den Rachen, dass tatsächlich mal ein Würgereiz bei mir ausgelöst wurde (ehr schwer zu erreichen), den er eher ungeduldig mit der nächsten Attacke auf mein Zäpfchen quittierte… Naja, Quintessenz des ganzen war, dass er nichts feststellen konnt (wie auch?) und auf einen Virus tippte… Naja, das hätt ich ihm auch selber sagen könne. Kein Blutdruck gemessen (eine meiner beschriebenen Beschwerden), nichts. Wenigstens brauchte ich für die Prozedur nichts bezahlen. Ich denke, er hat selber bemerkt, dass er da eher nichts ausgerichtet hat und mich entgegen bulgarischer Sitte mal nicht mit dem doppelten Tarif für Ausländer nach Haus geschickt – wenigstens das. Als ich dann raus war, schrieb Hassan, den ich informiert hatte noch: "Geh nicht in das Zigeunerkrankenhaus, gib denen kein Geld! Bleib wo du bist, ich hol dich ab." Naja, zu spät, aber um eine Erfahrung reicher in diesem Leben. Ich hätte sie nicht missen wollen.
Nachdem Hassan mich dann an der Moschee abgefangen hatte und mich zu seinem deutschen Chef gelotst hatte, konnte dieser mir wenigsten noch die Adresse einer privaten Klinik geben. Sauteuer für bulgarische Verhältnisse, aber wenigstens schien sie besser ausgestattet. Eigentlich war es so etwas, wie bei uns eine normale Hausarztpraxis. Hassan als Dolmetscher hinter mir, eine etwas gelangweilte Ärztin vor mir, ich dazwischen. Nachdem sie mich, ohne auf Hassan zu achten, dazu aufforderte mich nackig zu machen, war ich dann auch noch ohne Dolmetscher. Die Blöße wollte ich mir dann doch nicht geben ;) EKG, Blutdruck, kein Wort gesprochen – obwohl sie auch englisch konnte! Im Hinblick auf meinen doch ziemlich hohen Puls meinte sie dann nur, ich sei „a litttelll bitttt närvesss“, ich müsste „calllm daunnn a bit“ und verabreichte mir dann eine Pille und eine braune Flüssigkeit. Ich habe in dem Moment wirklich überlegt die Pille unter die Zunge zu klemmen, ganz so wohl war mir nun wirklich nicht bei dem Gedanken, dass ich Beruhigungstabletten bekomme. Aber leider gabs kein Entrinnen, so lang, wie sie im Anschluss auf ihrem Computer rumhämmerte. Noch ein Rezept, eine für bulgarische Verhältnisse horrende Rechnung und aus die Maus. Aber nicht, ohne mich mit dem Rezept über eben die Pillen und den braunen Saft zu entlassen. Zum Glück habe ich dann mal gegoogelt, bevor ich das Rezept eingelöst habe und so in Erfahrung gebracht, dass es sich bei den Pillen um ein Psychopharmaka handelt, dass von deutschen Markt genommen wurde. Na danke! Nicht mal nen Trip haben die gebracht :D Auf jeden Fall habe ich das Rezept in der Apteka dann mit den Worten „Ne iskam tesi“ eingelöst und nur den Saft bekommen. Bei 2 Leva kann man da auch nichts falsch machen. Vielleicht hätte ich die Tabletten doch mal kaufen sollen, um zu schauen, wie viel die kosten. Hätt ich vielleicht ein paar Leva in einer Disko mit machen können :D
Die Moral von der Geschichte ist wohl, dass ich zu Gott bete, dass mich hier niemals jemals etwas Schlimmeres ereilen wird! Jetzt weiß ich auch, was Hassan meinte, als er mir einen Tag zuvor die Erkältungs-Tabletten mit den Worten: „Hier möchtest du nicht krank werden“ verabreicht hatte...

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